Das Leben eines Tieres ist meist deutlich kürzer als das eines Menschen, und doch steigt die Lebenserwartung unserer Haustiere aufgrund der verbesserten medizinischen und diätetischen Versorgung stetig an. Trotz aller Fortschritte in der Medizin kann jedoch nicht verhindert werden, dass ein älteres Tier körperlich abbaut und mit zunehmendem Alter an einer Vielzahl von Erkrankungen gleichzeitig leidet.
Der Alterungsprozess
Beim physiologischen Alterungsprozess kommt es zu einem allmählichen Abbau der Muskulatur, die durch Fettgewebe ersetzt wird. Dies führt zu einer Instabilität der Gelenke und zur Beschleunigung von degenerativen intraartikulären Prozessen. Das zieht wiederum eine eingeschränkte Bewegungsaktivität nach sich, was zu einer Verstärkung des Teufelskreises führt. Der Metabolismus einschließlich der Aktivität der Schilddrüse nimmt allgemein ab und die Durchblutung der Organe und ihre Sauerstoffaufnahme sind reduziert. Die Verdauungsfähigkeit verzögert sich durch eine zunehmende Darmträgheit. Es kommt vermehrt zu Verstopfungen. Bei der alten Katze lässt häufig die Funktion der Nieren nach, in Folge dessen sich eine Niereninsuffizienz entwickeln kann. Außerdem ist die Schilddrüse der Katze sehr anfällig für eine Erkrankung und neigt zu einer Überfunktion. Ebenfalls häufiger beim älteren Tier kommen vermehrtes Zittern und gesteigerte Kälteempfindlichkeit als Folge einer gestörten Regelung der Körpertemperatur vor. Ein veränderter Schlaf-Wach-Rhythmus führt darüber hinaus zu nächtlichen Aktivitäten, wie z.B. Nachtwandeln oder Lautäußerungen wie Heulen oder Miauen. Dies wird begünstigt durch das Nachlassen der angeborenen Sinneswahrnehmungen wie z.B. Riechen, Hören und Sehen. Sowieso lässt die geistige Aktivität der Tiere langsam nach. Die älteren Tiere nehmen weniger an dem Geschehen teil und ziehen sich progressiv zurück. Zusätzlich vernachlässigen sie ihre Körperpflege. Die Fähigkeit, mit belastenden Ereignissen und mit Stress klar zu kommen, ist deutlich herabgesetzt, da die Abwehrfunktionen des Immunsystems nachlassen.
Multimorbidität im Alter
Altern ist zwar keine Krankheit, aber es begünstigt die Entstehung einer Vielzahl von Erkrankungen, an denen ein Tier gleichzeitig leidet. Damit ist eine aktive, ganzheitliche und schonende Behandlung des Patienten erforderlich, um den Alterungsprozess zu verzögern und regulativ in die Funktionsstörungen eingreifen zu können. Insbesondere das Schmerzmanagement und die Linderung der wichtigsten Krankheitsbeschwerden besitzen nach meiner Auffassung höchste Priorität. Kein Tier soll unnötig Schmerzen leiden! Leider werden chronische Schmerzen bei alten Haustieren und insbesondere Katzen oft verkannt, da die Symptome so unspezifisch sind. Ziehen sich die Tiere häufig zurück und spielen nicht mehr, kann ein schmerzhafter Prozess die Ursache sein. Holen Sie sich im Zweifelsfalle tiermedizinischen Rat ein.
Palliative Pflege
Für die optimale Versorgung und Behandlung des älteren Patienten mit seinen speziellen Bedürfnissen kommen wir ausnahmsweise auch zu Ihnen nach Hause, allerdings erst, wenn die Diagnostik zuvor schon in unserer Praxis erfolgt ist. Dann können wir auch in gewohnter Umgebung behandeln, um dem Tier möglichst viel Stress zu ersparen. Durch die erhöhte Pflegebedürftigkeit und Krankheitsanfälligkeit des alten Tieres werden Ihnen sowieso schon eine Menge Zeit und viel Geduld abverlangt. Einige chronische Leiden erfordern darüber hinaus besondere therapeutische Maßnahmen, wie z.B. regelmäßige Infusionen bei einer nierenkranken Katze oder eine multimodale Schmerztherapie bei einem Hund, der an Arthrose leidet. Mit der palliativen Medizin möchten wir dazu beitragen, dass die Lebensqualität Ihres Tieres im Alter erhalten bleibt. Damit Sie noch viele schöne Tage miteinander verbringen können!
20.06.2021