Es gibt verschiedene Gründe, seine Hündin zu kastrieren. Neben den medizinischen Indikationen steht die Krankheitsvorsorge im Vordergrund. Eine pauschale Empfehlung zur vorsorglichen Kastration können wir dennoch nicht abgeben. Die Entscheidung zu diesem Eingriff sollte gründlich überlegt und der Zeitpunkt individuell je nach Rasse und Gewicht des Tieres gewählt werden. Bei kleinen Hunderassen, die zu Mammatumoren neigen, befürworten wir nach wie vor die Frühkastration vor der ersten Läufigkeit. Bei großwüchsigen Rassen empfehlen wir neueren Studien zufolge eher einen späteren Zeitpunkt, da eventuell ein Zusammenhang zwischen einer frühen Kastration und später auftretenden Gelenksveränderungen bestehen könnte. So schützen wir zwar mit einer Frühkastration vor Mammatumoren, doch je größer ein Hund gemäß seiner Veranlagung wird, desto später sollte er kastriert werden.
Ablauf der OP
Bringen Sie Ihre Hündin bitte nüchtern zur OP. Nach einer gründlichen allgemeinen Untersuchung legen wir Ihr Tier in Vollnarkose (siehe Narkose-Infos). Zur besseren Steuerung der Narkosetiefe legen wir bei Ihrer Hündin einen Venenkatheter und injizieren darüber im weiteren Verlauf das Narkosemittel. Außerdem geben wir über den Venenzugang eine Infusion, um den Blutdruck stabil zu halten. Zusätzlich intubieren wir den Patienten, d.h. wir schieben einen Trachealtubus in die Luftröhre, um Ihre Hündin darüber gegebenenfalls beatmen zu können. All diese Maßnahmen dienen der Sicherheit Ihres Tieres und minimieren das Narkose-Risiko.
Das Operationsfeld wird gründlich rasiert und desinfiziert. Dann eröffnen wir die Bauchhöhle mit einem Schnitt beginnend hinter dem Nabel. Anschließend lagern wir die Hörner der Gebärmutter mitsamt den daran befindlichen Eierstöcken vor. Dann binden wir die Eierstöcke ab und entnehmen diese entweder mit oder ohne die Gebärmutter, abhängig davon, ob die Gebärmutter erkrankt ist. Danach verschließen wir die Bauchdecke in mehreren Schichten mit resorbierbarem, d.h. sich selber auflösendem Fadenmaterial. Meistens verschließen wir die äußere Haut mit einer Intrakutan-Naht, bei der die Fäden nicht mehr entfernt werden müssen. Es kommt aber auch vor, dass wir eine Naht aus sogenannten Einzelheften setzen, die sich nicht auflösen und in der Regel 10 Tage später gezogen werden.
Medizinische Gründe für eine Kastration
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- Gebärmutterentzündung (Pyometra)
- Niedriges Risiko für Tumoren des Gesäuges
- Scheinträchtigkeit
- Eierstocktumore oder -zysten
- Zyklusstörungen mit verlängerter Hitze oder stark verkürztem Zyklus
- Scheidenvorfall, insbesondere beim Boxer
- Diabetes mellitus
- Schilddrüsenunterfunktion
- Morbus Cushing (Hyperadrenokortizismus)
- Hormonell bedingte Hauterkrankungen (sehr selten)
- Zyklusabhängige Verhaltensstörungen bei der Hündin
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Mögliche negative Folgen der Kastration
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- Harninkontinenz (Blasenschwäche)
- Verhaltensveränderungen
- Übergewicht und Gewichtszunahme
- Fellveränderungen
- Tumoren
- Gelenkveränderungen
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Der Zyklus der Hündin
Je nach Hunderasse wird eine Hündin üblicherweise in dem Alter von 6 – 9 Monaten das erste Mal läufig. Dabei kommt es nach dem Heranreifen von Follikeln auf dem Eierstock zu der Bildung von dem Hormon Östrogen. Infolgedessen zeigen sich typische Läufigkeitssymptome wie Schwellung der äußeren Scham, blutiger Ausfluss und Attraktivität für Rüden. Im Anschluss an diese ca. zehntägige Phase erfolgen die Ovulation und die eigentliche Deckbereitschaft. Nach dem Eisprung bilden sich die Follikel zu Gelbkörpern um, die unabhängig von einer erfolgten Bedeckung das Gelbkörperhormon produzieren und zu Scheinträchtigkeit führen können.
Eine Hündin wird normalerweise zweimal im Jahr läufig, ab dem Alter von 7 Jahren meist nur noch einmal im Jahr. Eine Menopause gibt es nicht, d.h. die Hündin ist bis ins hohe Alter hormonell aktiv.
Pyometra
Eine eitrige Gebärmutterentzündung tritt in der Regel 4 – 10 Wochen nach der Läufigkeit auf. Während der Läufigkeit öffnet sich der Gebärmuttermund, so dass Keime eindringen und eine sogenannte aufsteigende Infektion verursachen können. Wenn sich der Muttermund gegen Ende der Hitze schließt, werden die Keime in der Gebärmutter hermetisch eingeschlossen, vermehren sich und bilden dabei Giftstoffe (Toxine).
Erkrankte Hündinnen trinken vermehrt und haben bei der sogenannten „offenen Form“ der Pyometra eitrigen oder blutigen Scheidenausfluss. Der Ausfluss kann bei der „geschlossenen Form“ fehlen. Das Allgemeinbefinden der Hündin ist häufig stark beeinträchtigt. Es kommt zu Fieber, Apathie und Futterverweigerung. Es kann eine medikamentöse Behandlung versucht werden, aber meistens müssen bei schlechtem Zustand nach Stabilisierung des Kreislaufs die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernt werden.
Mammatumoren
Es gibt einen präventiven Effekt auf die Entwicklung von Tumoren des Gesäuges (Mammatumoren) in Abhängigkeit von dem Lebensalter der Hündin zum Zeitpunkt der Kastration. Wird sie vor der ersten Läufigkeit kastriert, ist ihr Risiko, später an Gesäugetumoren zu erkranken, so gut wie null. Mit jeder weiteren Läufigkeit steigt das Risiko für die Hündin. Wir raten daher insbesondere bei kleinen Hunderassen mit einer Disposition zu Mammatumoren meist zu einem Eingriff vor der ersten bzw. zweiten Hitze.
Tumoren des Gesäuges sind in vielen Fällen bösartig und neigen dazu, sowohl in anderen Organe, wie z.B. die Lunge oder die Leber, zu streuen. Ist erst ein Komplex des Gesäuges betroffen, kommt es im weiteren Verlauf zu einer weiteren Ausbreitung in der Milchleiste, so dass meist der umliegende Gesäugekomplex oder die ganze Milchleiste entfernt werden muss. Dies ist eine große, schmerzhafte Operation, die insbesondere für ältere Tiere eine große Belastung ist.
Lactatio falsa
Grundsätzlich ist die Scheinträchtigkeit nicht krankhaft, sondern begründet sich in einem Verhalten, dass der Hund von seinem Vorfahren, dem Wolf, übernommen hat. Bei den Wölfen wird nämlich nur die Leitwölfin gedeckt und bekommt Nachwuchs. Zur optimalen Versorgung der Welpen bilden weitere Hündinnen des Rudels Milch und säugen die Jungen.
So verhält es sich auch bei der sogenannten Scheinträchtigkeit (lactatio falsa) der Hündin, die 3 bis 12 Wochen nach der Läufigkeit auftritt. Dabei verändert sie sich sowohl psychisch als auch physisch. Die Hündin baut ein „Nest“ und trägt Spielzeug und Stofftiere umher, das Gesäuge ist geschwollen und mit Milch gefüllt.
Oft helfen Ablenkung und Bewegung, aber in schweren Fällen ist eine hormonelle Behandlung nötig. Bei Hündinnen mit ständig wiederkehrenden Scheinträchtigkeiten ist es sinnvoll, zu kastrieren.
Mögliche negative Folgen der Kastration
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- Harninkontinenz (Blasenschwäche)
- Verhaltensveränderungen
- Übergewicht und Gewichtszunahme
- Fellveränderungen
- Tumoren
- Gelenkveränderungen
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Harninkontinenz
Insbesondere für große Hündinnen besteht das Risiko, mehrere Jahre nach der Kastration an einer Blasenschwäche, der sogenannten Harninkontinenz, zu erkranken. Die Häufigkeit wird in der Fachliteratur mit ca. 10 % angegeben, je nach Größe und Rasse des Hundes. Boxer, Dobermänner und Rottweiler sollen hierfür eine Rassendisposition aufweisen. Die Inkontinenz wird durch den Wegfall der weiblichen Hormone erklärt und lässt sich durch verschiedene Medikamente gut behandeln.
Verhaltensveränderungen
Immer wieder wird diskutiert, inwieweit die Kastration das Verhalten der Hündin beeinflusst. Insbesondere bei frühen Eingriffen wird häufig diskutiert, ob die Hündin keine soziale Ausreifung erfahren kann und kindlich und verspielt bleibt. In den meisten Fällen jedoch wird eine Hündin nach der Kastration ausgeglichener und ruhiger. Ängstliche Hunde werden allerdings teils noch vorsichtiger. Bei sehr aggressiven Hunden kann es nach der Kastration zu erhöhtem Dominanzverhalten und gesteigerter Angriffslust kommen.
Fellveränderungen
Bei Rassen mit langem, seidigem Fell, wie z.B. Langhaardackel, Irish Setter und Cocker Spaniel, kann es nach Kastration zu Fellveränderungen kommen. Durch das vermehrte Wachstum an Unterwolle entsteht ein sogenanntes Welpenfell. Das Fell sieht optisch weniger schön aus, lässt sich schlechter pflegen und ist anfälliger für Nässe. In seltenen Fällen tritt bei kurzhaarigen Rassen eine Haarlosigkeit in den Flanken auf.
Übergewicht
Nach der Kastration ist es wichtig, dass die Hündin trotz teilweise vermehrten Appetits nicht mehr, sondern eher weniger zu fressen bekommt. Es wird diskutiert, dass es in Folge der Hormonumstellung zu einer niedrigeren Stoffwechselrate mit einem geringeren Energieverbrauch kommt. In jedem Fall sollte die Futtermittelration entsprechend der Aktivität des Hundes berechnet werden. Dann wird die kastrierte Hündin weder dick noch träge.
Tumore
Neueren Studien zufolge steigt die allgemeine Wahrscheinlichkeit, an einem Tumor zu erkranken, durch eine Ovarektomie leicht an. So ist bei bestimmten Rassen das Risiko für sehr seltene Tumoren leicht erhöht, wie zum Beispiel für Hämangiosarkome des Herzens und der Milz beim Magyar Vizsla und beim Golden Retriever. Da die generelle Häufigkeit (Inzidenz) dieser Tumoren sowieso deutlich unter 1 % liegt, ist eine geringe Erhöhung dieses Risikos vertretbar. Denn demgebenüber steht das deutlich verminderte Risiko für Mammatumore, wenn vor der ersten Läufigkeit kastriert wird.
Gelenkveränderungen
Neueren Studien zufolge konnten bei Labrador und Golden Retriever eine Häufung an Gelenkerkrankungen nachgewiesen werden, wenn sie bei Kastration jünger als 6 Monate waren. Auch das Risiko für Kreuzbandrisse soll durch die Kastration leicht ansteigen. Ähnliches gilt für die Hüftgelenksdysplasie.
Alternativen zur Kastration
Die Hündinnen können mit Hormonen behandelt werden, um die Läufigkeit zu unterdrücken. Hierbei muss der Applikationszeitpunkt genau gewählt werden, um durch die Gestagen-Gabe keine Gebärmutterentzündung zu provozieren. Die hormonelle Läufigkeitsunterdrückung kann außerdem das Auftreten von Mammatumoren begünstigen. Auch hier gilt es individuell zu entscheiden, was das Beste für Ihr Tier ist. Wir beraten Sie gerne persönlich und individuell über diese Thematik.
07.06.2021