Erkrankungen der unteren Harnwege sind bei der Katze recht häufig und werden allgemein als FLUTD (Feline Lower Urinary Tract Disease) zusammengefasst. Neben bakteriell bedingten Blasenentzündungen und Harnsteinen liegt in zwei Drittel aller Harnwegserkrankungen eine feline idiopathische Zystitis (FIC) vor. Dabei handelt es sich um eine Blasenentzündung ohne primäre erkennbare Ursache. Die FIC ist damit die mit Abstand häufigste Erkrankung der unteren Harnwege der Katze.
Es wird vermutet, dass bei der FIC eine Erkrankung des sympathischen Nervensystems vorliegt, die in Stresssituationen eine neurogene Entzündung der Harnblase hervorruft. Das führt zu einem chronischen Stresszustand bei Katzen mit FIC.
Symptome
Im Vordergrund stehen die Beschwerden rund um den Urinabsatz. Die  Blasenentleerung ist oft schmerzhaft (Dysurie) und es besteht ein vermehrter Harndrang (Strangurie) mit Entleerung kleiner Urinportionen (Pollikasurie). Die erkrankten Katzen gehen häufiger auf die Katzentoilette und werden in vielen Fällen dabei auch unsauber. Dann pinkeln sie nicht nur neben die Katzentoilette, sondern suchen sich Betten oder andere ungeeignete Stellen dafür aus (Periurie). Der Urin kann blutig sein (Hämaturie) und/oder eitrig mit Bakterien und Leukozyten (Pyurie). Meistens ist der Urin bei der FIC allerdings steril, d.h., es werden keine Bakterien gefunden.
In einigen Fällen werden vermehrt Proteine über den Harn ausgeschieden (Proteinurie). Selten kommt auch eine Kristallurie vor, d.h., es werden Harnkristalle im Urin nachgewiesen.
Eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation bei der FIC ist eine vollständige Urethraobstruktion. Dabei kann die Harnröhre durch einen Urethrapropfen vollständig oder unvollständig verlegt sein.
Diagnostisch abzugrenzen von der FIC sind Harnsteine (Urolithiasis), die zwar ebenfalls zu einer vollständigen Verlegung der Harnröhre führen können, aber grundsätzlich anders behandelt werden müssen als die FIC.
Diagnose
Die Diagnose erfordert eine Harnanalyse einschließlich bakterieller Kultur. Am besten sollte der Urin bei der Erstvorstellung per Zystozentese gewonnen werden, d.h. durch Punktion der Harnblase, um sicherzustellen, dass er frisch und nicht verunreinigt ist. Eine Ultraschalluntersuchung der Harnblase und Nieren sowie Übersichtsröntgenaufnahmen und ggf. Kontrastuntersuchungen sind außerdem zwingend nötig, um Harnröhrensteine auszuschließen, insbesondere in Fällen obstruktiver, rezidivierender und/oder lang anhaltender Schübe von Harnabsatzbeschwerden.
Begünstigende Faktoren:
  • Mehrkatzenhaushalte und damit Konflikte mit anderen Katzen
  • Auseinandersetzungen mit Nachbarkatzen in der Umgebung
  • Übergewicht (Adipositas)
  • geringe Trinkwasseraufnahme
  • geringe körperliche Aktivität
  • Stubenkatzen mit wenig oder gar keinem Zugang nach draußen
  • nur eine Katzentoilette
  • geringes Jagdverhalten
  • generell ängstliches oder nervöses Verhalten
  • Verstecken vor Besuchern
  • Veränderung der Haltungsbedingungen durch Umzug oder anderer Familiensituation
Therapie:

1. Trinkwasser- und Fütterungsmanagement

Ziel: geringere Reizung der chronisch entzündeten Harnblasenwand durch einen insgesamt niedriger konzentrierten Harn
  • Erhöhung der Wasserzufuhr
  • Angebot verschiedener Formen von Wassernäpfen oder Trinkbrunnen für Katzen
  • Testen verschiedener Wasserarten, wie z.B. Mineralwasser oder Leitungswasser
  • Umstellen der Ernährung auf Diätnahrungen, die zur Vorbeugung von Harnsteinen eingesetzt werden und die Harnausscheidung steigern können
  • Senkung des spezifischen Harngewichts (SHG) durch Umstellung der Ernährung auf Feuchtnahrung, wenn möglich graduell, um Akzeptanz zu verbessern

2. Multimodale Modifikation der Umwelt zur Stressminderung

Ziel: Verbesserung der Umgebung der Katze  durch abwechslungsreiche und katzengerechte Gestaltung
  • Reduktion sozialer Konflikte durch ausreichende Ressourcen für jede einzelne Katze.
  • Anwenden der traditionellen „x+1”-Regel (x steht für die Anzahl der Katzen im Haushalt) für Katzentoiletten, Futter- und Wassernäpfe, Schlafstellen
  • Hygiene bei Katzentoiletten checken, ggf. Wechsel der Einstreu und des Katzenklos (mit/ohne Deckel)
  • Sorgfältige Auswahl der „privaten Orte“ für die stressfreie Nahrungsaufnahme, das ungestörte Schlafen und den Toilettengang an ruhigen und geeigneten Rückzugsorten
  • Stimulation des natürlichen Jagdverhaltens der Katze durch spezielles Spielzeug
  • Artspezifische Bedürfnisse ermöglichen, wie z.B. Klettern, Verstecken, Schlafen und Kratzen
  • Begrenzter Zugang nach außen für Wohnungskatzen, wenn möglich
  • Fensterplätze einrichten für Wohnungskatzen
3. Medikamentöse Therapie
Die FIC ist eine sehr frustrierende Erkrankung, weil es so oft zu Rückfällen kommt. Eine medikamentöse Therapie kann niemals ein Ersatz für die Optimierung der Lebensumstände sein. Dennoch können folgende Medikamente in akuten Phasen bzw. zur Prävention von Rezidiven eingesetzt werden:
  • Analgetika, wie beispielsweise Opioide (Buprenorphin oder Butorphanol)
  • nicht steroidale Analgetika (NSAIDs), z.B. Meloxicam
  • Maropitant mit analgetischem Effekt
  • Feline Pheromone, wie z.B. Feliway zur Stressreduzierung und Beruhigung
  • Antidepressiva, wie z.B. Amitryptyllin oder Clomicalm
  • Glykosaminoglykane zum Schutz der Blasenwand
  • Antibiotika (nur wenn ein bakterielle Infektion vorliegt)

06.11.2023

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